Die Niederwerfung

OPERATION DONAU

Die endgültige Entscheidung zur Intervention fiel in Moskau. Das vollzählig versammelte Politbüro des ZK der KPdSU entschied am 17. August einstimmig, den Einmarsch „zum ehest möglichen Zeitpunkt“ durchzuführen. Am folgenden Tag trafen Živkov, Kádár, Ulbricht und Gomulka in Moskau ein und stimmten der Entscheidung zu. Gleichzeitig wurden die USA, die schon vorher beruhigende Signale nach Moskau gesandt hatten, darüber informiert, dass der laufende Truppenaufmarsch nicht gegen die NATO gerichtet sei.

In der Nacht vom 20. auf den 21. August 1968 begann die „Operation Donau“. Das um Mitternacht noch versammelte ZK der KPČ, beschäftigt mit dem für September geplanten außerordentlichen Parteitag, verurteilte den Einmarsch, wies jedoch die Armee an, den Truppen der Sowjetunion, Bulgariens, Polens und Ungarns keinen Widerstand entgegenzusetzen. Die bereitstehenden zwei Divisionen der DDR-Volksarmee wurden im letzten Moment zurückgehalten: Man wollte jede Erinnerung an den Einmarsch der deutschen Wehrmacht 1938/39 wecken. Lediglich kleinere Trupps gelangten kurzfristig auf tschechoslowakisches Gebiet, teilweise um Transparente zu beseitigen, „1938 Hitler – 1968 Ulbricht“.

Aber im Hauptquartier der Interventionstruppen in Milovice in der Nähe von Prag hielten sich spätestens ab dem 23./24. August Offiziere und Nachrichtentechniker der Nationalen Volksarmee auf, darunter mindestens 20 Angehörige des NVA-Nachrichtenregiments 2 (Niederlehme). Zudem, so recherchierte die Schriftstellerin Doris Liebermann, garantierten DDR-Grenztruppen, dass in der DDR stationierte sowjetische Spitzeneinheiten am 20. August 1968 zwischen 23.30 und 24.00 Uhr die Grenze zur Tschechoslowakei zügig überschreiten konnten. Außerdem ließ die SED-Führung ab fünf Uhr morgens in tschechischer Sprache von Dresden aus bis zum Frühjahr 1969 in die Tschechoslowakei hinein Propaganda senden, der temporär betriebene Tarn-Sender wurde nach Smetanas Moldau „Vltava“ genannt

Die Invasoren boten zur Besetzung der Tschechoslowakei 27 Divisionen mit einer halben Million Soldaten auf, rund 6 300 Panzer, 800 Flugzeuge und 2 000 Geschütze. Zum Vergleich: Deutschland setzte 1940 gegen Frankreich 2 500 und 1941 gegen Russland 3 580 Panzer ein.

Die Parteiführung der KSČ wurde in der Nacht des Einmarsches festgenommen und nach Moskau gebracht. Allerdings gelang es den Besatzern nicht, eine neue Staatsführung einzusetzen, weil im Politbüro der Tschechoslowakei die Reformer in der Mehrzahl waren.
Stattdessen brachten sie die Führungsriege der KSČ dazu, das „Moskauer Protokoll“ zu unterzeichnen. Darin wurden wichtige Punkte der Reform, unter anderem Pressefreiheit und Versammlungsfreiheit, rückgängig gemacht.
Außerdem musste die Staatsführung sich dazu verpflichten, das Volk, das gewaltfreien Widerstand leistete und durch die „brüderliche Hilfe“ aufgewühlt war, wieder zu befrieden. Ein Zeitpunkt für das Ende der Besatzung wurde nicht festgelegt. Letztendlich blieben sowjetische Truppen bis 1991 in der Tschechoslowakei stationiert.

Die nach Moskau entführten Führer der Kommunistischen Partei: Oldřich Černík, Alexander Dubček und Josef Smrkovský.

Es kam zu einer großen Fluchtbewegung aus der Tschechoslowakei und viele tschechische und slowakische Flüchtlinge wurden in Deutschland und Österreich aufgenommen.
58 Tote, davon 22 in Prag, gab es bereits am ersten Tag des Einmarsches der Truppen von fünf Staaten des Warschauer Paktes in die Tschechoslowakei, der in der Nacht zum 21. August 1968 begann. 17 starben bei dem Massaker vor dem Rundfunkgebäude im Prager Stadtteil Vinohrady (Weinberge), als unbewaffnete Bürger die Panzer umstellten und für die Freiheit der Tschechoslowakei demonstrierten. Andere wurden von psychisch völlig überforderten jungen Soldaten erschossen. Sie wurden von Panzern oder anderen Militärfahrzeugen überfahren. Manche kamen in brennenden Häusern ums Leben oder bei dem Versuch, sich durch den Sprung durch das Fenster zu retten.

Vorbei war es mit der Illusion eines Sozialismus mit menschlichem Antlitz, vom „Dritten Weg“ zu einer politischen und wirtschaftlichen Ordnung, die Freiheit, Gerechtigkeit und Wohlergehen für alle garantieren sollte.

JETZT GEHT ES WEITER ZU DER GESCHICHTE DER UKRAINE

NÄCHSTE SEITE