Geschichte der Ukraine

Die Ursprünge der Kiewer Rus können bis in die zweite Hälfte des 9. Jahrhunderts zurückverfolgt werden. In dem Gebiet, das sich zwischen der Ostsee, dem Schwarzen Meer und dem Bosporus erstreckt, formte sich zu dieser Zeit ein bedeutendes Reich, das ab 862 von den Rjurikiden regiert wurde, einer Fürstendynastie, die dem Stamm der Rus angehörte. Der Name „Rus“ wird heutzutage hauptsächlich auf das nordische Wort „roðr“ zurückgeführt, was „Rudern“ oder „Ruderermannschaft“ bedeutet. Die Rus, auch als Waräger bekannt, waren Volksgruppen aus dem schwedischen Raum, die im Übergang zur Wikingerzeit in den Nordosten zogen.

Das mittelalterliche Großreich der Kiewer Rus‘ im 11. Jahrhundert streckte sich über den Gebieten des heutigen Russlands, Belarus und der Ukraine. Auf dieser Karte ist der Einfluss aus dem Byzantinischen Reich ins Siedlungsgebiet der Kiewer Rus verzeichnet. (Ras67, Wikimedia, CC-BY-SA-3.0)

Igor (* vor 879; † 945) herrschte von 912 bis 945 über die Kiewer Rus. Er zählt zu den frühen Fürsten von Kiew, bei denen mit großer Gewissheit angenommen werden kann, dass sie historische Persönlichkeiten waren und nicht in die Sphäre der Legenden gehören. Sein Sohn, Swjatoslaw I., übernahm die Position des Großfürsten der Kiewer Rus bis 970.

Wladimir der Große, auch bekannt als Wladimir der Heilige, herrschte von 978 bis 1015 als Großfürst von Kiew. Er wird als der herausragendste Herrscher der Kiewer Rus betrachtet, der maßgeblich zur Christianisierung der Rus beitrug.

Russland wie auch die Ukraine sind Nachfolgestaaten der Kiewer Rus, eines mittelalterlichen Großreiches. Dieses Großreich war ein lockerer Zusammenschluss von Teilfürstentümern; es reichte von der Ostsee bis zum schwarzen Meer und hatte bis zur Machtergreifung der Mongolen 1240 Bestand.

Die Ukraine wurde das, was ihr Name bedeutet: Grenzland. Während die russischen Gebiete unter der Führung von Moskau nach zweihundert Jahren die mongolische Herrschaft abschüttelten, etablierten sich im Süden das Osmanische Reich und im Westen Polen-Litauen als neue bedeutende Mächte in der Ukraine. Jeder Konflikt zwischen ihnen führte zu Veränderungen in den territorialen Grenzen der Ukraine. Zu dieser Zeit war Russland noch eine periphere Region auf der europäischen Landkarte, und weite Teile Osteuropas waren unter der Kontrolle der polnisch-litauischen Union.

Das polnisch-litauische Reich um 1618
Wappen des Kosaken Hetmanats

Die Kosaken erhoben sich gegen dieses Reich, da sie sich von der polnischen Vorherrschaft lösen und einen unabhängigen ukrainischen Staat gründen wollten. Doch um dieses Ziel zu erreichen, suchten sie nach Unterstützung und schlossen 1654 ein Bündnis mit dem russischen Zaren.

Dies führte zu einer gemeinsamen militärischen Kampagne der Russen und der Saporoger Kosaken unter der Führung von Bohdan Chmelnyzkyj gegen Polen-Litauen, in deren Verlauf sie bis 1656 die Kontrolle über fast alle ostslawischen/ruthenischen Gebiete erlangen konnten.

Dieses Bündnis stärkte die Herrscher in Moskau so sehr, dass Russland zu einer Macht im Osten Europas aufstieg, während die Ukrainer in russische Abhängigkeit gerieten.

Am 8. Januar 1654 wurde der Vertrag von Perejaslaw unterzeichnet. Die Kosaken schworen dem russischen Zaren Alexej I. Treue und erklärten sich zu seinen Untertanen. Im Gegenzug gewährte Russland den Kosaken militärischen Schutz und eine beträchtliche Autonomie.

Ein Bündnis mit weitreichenden Folgen: Bohdan Chmelnyzkyj besiegelt 1654 mit Russland den Vertrag von Perejaslaw,. Schutz und weitgehende Autonomie. © imago/United Archives International

Während der Teilungen von Polen-Litauen (1772, 1793, 1795) wurde das nördliche und westliche Gebiet der Ukraine zwischen Russland und Österreich aufgeteilt. Während die ukrainische Sprache und Kultur im Russischen Reich verstärkt einer umfassenden Russifizierung unterlag, konnte sie unter der Herrschaft Österreichs freier gedeihen. Insbesondere von dort aus gingen im 19. Jahrhundert wichtige Impulse zur Bildung einer eigenständigen Nation aus

Während des Ersten Weltkriegs geriet die Ukraine buchstäblich zwischen die Fronten: Das Deutsche Kaiserreich unterstützte zunächst die Unabhängigkeitsbestrebungen, die hauptsächlich im westlichen Teil des Landes ihren Ursprung hatten, mit dem Ziel, das russische Zarenreich sowohl geografisch als auch „moralisch“ zu schwächen. Diese Politik wurde jedoch aufgrund der Ereignisse in Russland im Frühjahr 1917 letztendlich nie umgesetzt.

Wappen der Ukrainischen sozialistischen Republik

Unmittelbar nach der Oktoberrevolution der Bolschewiki in Russland im Jahr 1917 rief der ukrainische Zentralrat am 20. November die Ukrainische Volksrepublik aus und erklärte die Unabhängigkeit. Schon im Dezember organisierten die Bolschewiki jedoch Aufstände in der Ukraine, und im Februar 1919 eroberten sie die östliche Ukraine, einschließlich Kiew. Mit der Gründung der Sowjetunion im Jahr 1922 wurde auch die „Ukrainische Sozialistische Sowjetrepublik“ ausgerufen. Der südwestliche Teil der Ukraine, die Karpaten-Ukraine, wurde hingegen Teil der Tschechoslowakei, während Galizien und West-Wolhynien im nordwestlichen Teil an Polen fielen.

Am Anfang der dreißiger Jahre wurde die Ukraine von einer Hungersnot „Holodomor“ ergriffen, die ihre primären Ursachen in Stalins Kurs der forcierten Industrialisierung hatte. Um die Industrialisierung und Urbanisierung der Sowjetunion voranzutreiben, wurde der Agrarsektor einer Transformation und hohen Abgabequoten unterworfen. Diese Kampagne verschärfte die Hungersnot dramatisch. Selbst als sich der Hunger 1932 schon ausgebreitet hatte, exportierte die Sowjetunion über Odessa noch Getreide und andere Lebensmittel in den Westen, um Investitionsgüter für die Industrialisierung und Aufrüstung importieren zu können.

Dem sicheren Hungertod überlassen: Ein sowjetischer Suchtrupp konfisziert Getreide in einem Bauernhaus in der Ukraine während des Holodomors 1932/33.
Stepan Bandera Denkmal in Lvov (Lemberg)

Vor dem deutschen Angriff auf die Sowjetunion 1941 kam es zu einer Vereinbarung zwischen deutschen Sicherheitsdiensten und dem Führer des radikalen Flügels der Organisation Ukrainischer Nationalisten (OUN), Stepan Bandera (1909–1959), die die Formierung von zweien ukrainischen Bataillonen vorsah. Eine der beiden Einheiten marschierte am 29. Juni zusammen mit den Deutschen in Lwiw (Lemberg) ein. Es kam zu Anti jüdischen Pogromen, in denen Tausende Menschen ermordet wurden. Seine Männer hatten eine freie Ukraine ausgerufen – das war den Nazis dann doch zu viel. Die deutsche Seite beendete Kooperation und internierte ihn im Konzentrationslager Sachsenhausen. Danach zerbrach das Bündnis.

Die Absicht der deutschen Besatzung war, dass die Ukraine nicht nur durch Ressourcenentzug und Zwangsarbeit ausgebeutet wird. Die prinzipielle Vernichtungsabsicht der deutschen Besatzungspolitik zeigte sich sehr deutlich im Holocaust, von dem die Ukraine genauso wie Weißrussland besonders betroffen war und es zur fast vollständigen Auslöschung der jüdischen Bevölkerung kam.

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