Prager Frühling

Der Begriff „Prager Frühling“ bezeichnet im historisch-politischen Diskurs zwei gegensätzliche Vorgänge auf dem Boden der Tschechoslowakei 1968: Zum einen umfasst er die Reformbemühungen unter Alexander Dubček und der Kommunistischen Partei hin zu Demokratie und Liberalisierung des sozialistischen Staates. Zum anderen beschreibt er die Niederschlagung eben dieser Reformbewegung durch die Truppen der Warschauer-Pakt-Staaten im August 1968.

Das Jahr 1968 fand nicht nur in Paris und Berlin statt. Die Jugend in der DDR und in anderen osteuropäischen Staaten schaute nach Prag. Der Frühling dort verhieß Demokratie, Freiheit und Sozialismus. An der Spitze der friedlichen Bewegung für eine Öffnung des Systems stand Parteichef Alexander Dubcek. Hinter ihm stand fast das gesamte Volk – Arbeiterklasse, Künstler und Intelligenz

Alexander Dubček

Sozialismus mit menschlichem Antlitz

Eine desolate wirtschaftliche Lage zwingt die Kommunistische Partei der Tschechoslowakei (KPC) Anfang der 1960 Jahre auf Reformkurs – der dann weiter geht als in anderen sozialistischen Staaten. In Prag entstehen neue Zeitungen – freie Meinungsäußerung wird möglich. Dabei geht es der Führung in Prag ausdrücklich nicht um einen Wechsel der Tschechoslowakei ins kapitalistische Lager, sondern um eine Synthese von Kommunismus und Freiheit oder einen „Sozialismus mit menschlichem Antlitz“, wie es heißt.

Es war der dritte große Versuch, sich von der sowjetischen Vorherrschaft zu emanzipieren. Schon der 17. Juni 1953 in der DDR und der Ungarn-Aufstand 1956 waren Versuche, Moskaus Sozialismus-Modell liberaler zu gestalten.

.Die Sowjetunion lässt Dubček und seine Leute zunächst gewähren. Als die Forderungen nach mehr Demokratie aber immer weiter gehen und es auch in Polen zu Studenten-Demonstrationen kommt, verschärft Moskau den Ton.

Der Ungar Kadar verglich das Geschehen in Prag mit dem Prolog zur ungarischen Konterrevolution 1956. Polens Parteichef Gomulka erwartete von Dubcek eine energische Gegenoffensive gegen die reaktionären Kräfte. Gastgeber Ulbricht drohte: „Entweder in Prag herrscht Ordnung oder wir müssen entschiedene Maßnahmen ergreifen.“

In der Nacht vom 20. auf den 21. August 1968 rücken Truppen von fünf Warschauer Pakt-Staaten in die Tschechoslowakische Sozialistische Republik (CSSR) ein. Damit werden die als „Prager Frühling“ bezeichneten Reformversuche der kommunistischen Partei der CSSR gewaltsam beendet.

Als die Idole des Frühlings zerbrachen und der organisierte Widerstand schwand, folgte ein zwanzigjähriger Winter der Anpassung und Resignation, sog. Normalisierung. Mit dem Triumph der Normalisierer endete diese erste Bürgergesellschaft in einem sozialistischen Land. Ausgeträumt war damit der Traum einer Versöhnung von Sozialismus und Demokratie.

Auf den folgenden Seiten wird der Prager Frühling kurz zusammengefasst.

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